Form der Finanzierung ändern

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PROBLEM: Das System arbeitet nicht immer in unserem Sinn

Derzeit wird nur der Transport ins Krankenhaus vergütet, nicht aber die medizinische Leistung. Das führt dazu, dass der Patient oder die Patientin häufig ohne medizinische Notwendigkeit in ein Krankenhaus transportiert wird. Dort beginnt eine teure Versorgungs- und Untersuchungskette, die nicht immer so nötig wäre.

Aktuell ist die rettungsdienstliche Notfallversorgung kein eigenständiges medizinisches Leistungssegment, sodass Versicherte lediglich Anspruch auf Kostentragung für Rettungsfahrten und Krankentransporte gemäß § 60 („Fahrkosten“) und § 133 SGB V („Versorgung mit Krankentransportleistungen“) in Verbindung mit der Krankentransport-Richtlinie haben. Dieser ist zudem an das Vorliegen einer medizinisch notwendigen Krankenbehandlung im Sinne des § 27 SGB V geknüpft („Nebenleistung“ akzessorischen Charakters).

Folglich wird die medizinische Versorgung am Notfallort oder auf dem Weg in die geeignete Versorgungseinrichtung nur dann getragen, wenn der Transport insgesamt zum Zweck einer medizinischen Behandlung erfolgte. Das bedeutet auch, dass die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) keine Kosten übernimmt, wenn z.B. die medizinische Versorgung abschließend durch Notärzte oder Notfallsanitäter am Notfallort erfolgt oder aber ein Transport zum Zweck einer medizinischen Behandlung gar nicht (mehr) erforderlich ist. Dadurch entsteht ein Fehlanreizsystem (unnötige Transporte, kosten- und personalintensive Behandlung im Krankenhaus, die nicht notwendig gewesen wäre), was im Widerspruch zum Wirtschaftlichkeitsgebot der GKV gem. § 12 SGB V steht.

LÖSUNG: Rettungsdienst ins Sozialgesetzbuch V (SGB V)

Eine Alarmierung des Rettungsdienstes muss auch andere abrechenbare Leistungen als ausschließlich einen Transport ins Krankenhaus ermöglichen, wenn dieser nicht notwendig ist und/ oder eine ambulante Versorgung vor Ort stattfindet

Wie kann das gehen?

Eine Lösung zur Verankerung rettungsdienstlicher Leistungen sieht die Aufnahme der Notfallbehandlung als eigenständiges Leistungssegment in § 27 SGB V vor, der Leistungsanspruch könne durch eine Neufassung der §§ 60 und 133 SGB V konkretisiert werden. Dabei soll und muss natürlich die Verantwortung der Länder und Kommunen für die Gefahrenabwehr und die Investitionskosten beachtet werden.

Die übergeordneten Ziele sind dabei bundeseinheitliche Qualitätsvorgaben sowie tragfähige Rahmenbedingungen für Entgeltverhandlungen (für Leitstellen, medizinische Leistungen des Rettungsdienstes sowie Fahrkosten bei medizinischen Notfällen). Dabei könnte es eine duale Finanzierung geben (Investitionskosten → Länder, Betriebs- und Vorhaltekosten → GKV, Bundesverantwortung). Dadurch kann es zur bundesweiten Etablierung eines Vertragsmodells kommen, bei dem die Entgelte zwischen den nach den jeweiligen Landesrettungsdienstgesetzen vorgesehenen Trägern des Rettungsdienstes und den Kostenträgern (Krankenkassen) vereinbart werden (Basistarif und variabler Leistungsanteil). 

Der Rettungsdienst betreibt sowohl Gefahrenabwehr/Daseinsvorsorge als auch Gesundheitsfürsorge. Somit liegt die Gesetzgebungskompetenz entsprechend Grundgesetz bei den Ländern. Es steht dem Bundesgesetzgeber jedoch zu, Inhalt, Voraussetzungen, Modalitäten und Umfang der versicherungsrechtlich geschuldeten Leistungen zu normieren, sodass die Erweiterung des Versichertenanspruchs um rettungsdienstliche notfallmedizinische Versorgung grundsätzlich im SGB V möglich wäre.

Die Sicherstellung einer bundeseinheitlichen Struktur- und Versorgungsqualität ist grundsätzlich von der Sozialversicherungskompetenz des Bundes umfasst (Beitrags- und Leistungsaspekte). In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wäre die Voraussetzung zur Gesetzgebungskompetenz des Bundes daher die Festlegung bundeseinheitlicher Pauschalen für die Erfüllung von Strukturqualitätsparametern (Notfallmanagement, Notfallbehandlung, Transport etc.). Die Sicherstellung einer bundeseinheitlichen Struktur- und Versorgungsqualität ist grundsätzlich von der Sozialversicherungskompetenz des Bundes umfasst (Beitrags- und Leistungsaspekte). Die Finanzierungsverantwortung für die Aufgaben tragen weiter die Länder. Der Bundesgesetzgeber könnte demnach z.B. den in § 133 Abs. 1 S. 1 SGB V normierten Landesvorbehalt streichen und bundeseinheitliche Vergütungsvorgaben verbunden mit dezidierten Qualitätsparameter machen.

Ist das rechtlich auch wirklich so möglich?

Grundsätzlich ja, aber man befindet sich hier aber in einem "kompetenzrechtlichen Graubereich", da Regelungen zum Leistungsanspruch und -umfang immer auch, zumindest mittelbare, Auswirkungen auf die Organisation und Planung des Rettungsdienstes haben, was beides in originärer Landeskompetenz liegt. Analoge Diskussionen werden ja auch im Rahmen der Krankenhausreform geführt.

Alternativ könnte der Bundesgesetzgeber daher auch lediglich einen Anspruch auf rettungsdienstliche Leistungen im SGB V normieren und den Verhandlungspartnern Bemessungsgrundsätze zur Entgeltverhandlung vorgeben, die Umsetzung und Berücksichtigung regionalspezifischer Anpassungen aber den Ländern überlassen. Zudem könne die Möglichkeit getrennter Pauschalen (medizinische Versorgung am Notfallort und Rettungsfahrt) zur unabhängigen Abrechnung erwogen werden, um die Heterogenität der Landesrettungsdienstgesetze abbilden zu können.

Ob eine solche Reform „light“ ohne klares, bundeseinheitliches Finanzierungskonzept den avisierten undnotwendigen Effekt einer verbesserten Patientensteuerung und damit einer Entlastung der Rettungsdienste und Notaufnahmen erzielen könnte, bleibt dabei aber fraglich. Auch müssten die Krankenkassen dann im Zweifel Kosten tragen, ohne Informationen über das Leistungsgeschehen zu erhalten.

Im Idealfall einigen sich Bund und Länder gemeinsam auf eine Anpassung der Strukturen und der Finanzierung der Notfallversorgung.

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