Die Björn Steiger Stiftung fördert mit je 10.000 Euro zwei wissenschaftliche Studien zur Verbesserung der Notfallversorgung in Deutschland. Die beiden Projekte wurden im Rahmen einer Ausschreibung von einer interdisziplinär besetzten Jury ausgewählt.
Die Budgets gehen in den Kreis Euskirchen und nach Hannover. Im Kreis Euskirchen untersucht Dr. Tobias Ahnert, Ärztlicher Leiter Rettungsdienst, die Vorgehensweise zur Ersteinschätzung von Notfallpatientinnen und -patienten nach einem Unfall. Für Landkreise mit geringer Krankenhausdichte ist diese Ersteinschätzung von großer Bedeutung, da abgewogen werden muss, ob ein luft- oder bodengebundener Transport in eine lokale oder weiter entfernte Klinik erfolgen soll. Insbesondere ermöglicht eine erweiterte Diagnostik vor Ort die gezielte und ressourcenoptimierte Voranmeldung im nächsten, geeigneten Krankenhaus. Wird die Schwere der Verletzung unterschätzt, so steht der Patientin oder dem Patienten im schlimmsten Fall nicht die notwendige Ausstattung in einem Krankenhaus zur Verfügung. Ebenso folgenschwer ist die Überschätzung der Schwere der Verletzung. Denn in dem Fall werden Notaufnahmen, Rettungsmittel sowie Ärztinnen und Ärzte gebunden, die für tatsächlich schwerverletzte Menschen in der Zeit nicht zur Verfügung stehen.
„Die geltenden Kriterien zur Einschätzung werden aktuell kontrovers diskutiert. Insbesondere bei Patientinnen und Patienten, die alleinig aufgrund des so genannten Unfallmechanismus, der sich z. B. auf die Geschwindigkeit des Fahrzeugs bezieht, eingestuft werden. Es zeigt sich, dass bei diesen Kriterien in über der Hälfte der Fälle eine Behandlung zugewiesen wird, die mehr knappe Kapazitäten bindet als notwendig. Diese Ärztinnen und Ärzte und Rettungsmittel fehlen dann an anderer Stelle“, so Dr. Ahnert. Im Studienprojekt wird ein veränderter Kriterienkatalog zur Ersteinschätzung eingesetzt.
Auf Basis der Ergebnisse der Studie sollen zukünftig Patientinnen und Patienten zielgerichteter zugewiesen werden. Hierdurch würden die Belastung der Ressourcen aller Krankenhäuser sinnvoller aufgeteilt, Verlegungen minimiert und die Patientensicherheit erhöht. In weiteren Studien soll die Aussagekraft des veränderten Kriterienkatalogs zwischen Luftrettung und Bodenrettung sowie einer urbanen Umgebung und einem ländlichen Flächenkreis untersucht werden.
Das zweite Förderung geht an die Mediziner Gökmen Aktas, Christian Macke und Tarek Omar Pacha von der Klinik für Unfallchirurgie, Medizinische Hochschule Hannover. Das Team untersucht, ob eine frühe Gabe von Antibiotika bei Patientinnen und Patienten mit offenen Verletzungen durch den Rettungsdienst spätere schwere Infektionen verhindert bzw. reduziert.
Bislang werden Antibiotika bei offenen Verletzungen erst im Schockraum der Klinik gegeben. Eine Studie aus den USA legt nahe, dass eine frühere Gabe von Antibiotika das Infektionsrisiko signifikant senkt. Hintergrund ist, dass die Zeit von der Verletzung bis zur Gabe von Antibiotika maximal 60 Minuten betragen sollte. Das Eintreffen der Rettungskräfte, die Bergung und Versorgung vor Ort sowie der Transport dauern aber bei Patientinnen und Patienten mit offenen Verletzungen meist mehr als eine Stunde in Deutschland. Nicht nur auf dem Land, sondern auch in der Stadt. Schwere Verkehrsunfälle mit Einklemmung der Verletzten können die Zeit erheblich verlängern. Eine Gabe von Antibiotika direkt am Unfallort könnte einen Vorteil für die Patientinnen und Patienten bieten und die schwerwiegenden Folgen einer Infektion minimieren. Ausgewertet werden in der Studie unter anderem die Dauer des Krankenhausaufenthaltes, der Zeitraum bis zur vollständigen Genesung und die Operationshäufigkeit.
Das Ziel der Studie besteht darin, den zeitlichen Verzug der Antibiotika-Gabe so gering wie möglich zu halten, um im besten Fall Infekt-Komplikationen nach Verletzungen weiter zu reduzieren. Von besonderer Bedeutung sehen die Autoren die Frage nach dem Nutzen vor allem bei Patienten mit verlängerter Rettungszeit.
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