
Das Bundesverfassungsgericht hat am 30. September 2025 eine Teilentscheidung zu der von der Björn Steiger Stiftung und weiteren Beschwerdeführern am 13. März 2025 eingereichten Verfassungs-beschwerde veröffentlicht. Diese richtet sich im Kern gegen das Rettungsdienstgesetz Baden-Württemberg vom 25. Juli 2024.
Der zugrunde liegende Beschluss, der bereits am 20. August 2025 vom Gericht gefasst und den Beschwerdeführern am 16. September 2025 offiziell zugestellt wurde, legt fest, dass der Kern der Beschwerde gegen das Rettungsdienstgesetz Baden-Württemberg vollumfänglich anhängig bleibt. Somit sind weiterhin die Fragen zur Klärung offen, ob das baden-württembergische Landesgesetz mit den Grundrechten der Notfallpatientinnen und -Patienten vereinbar ist. Stellvertretend für alle anderen Bundesländer bleiben mit der Weiterbefassung die grundlegenden verfassungs-rechtlichen Fragen zur Organisation des Rettungsdienstes in Deutschland auf der Tagesordnung des höchsten deutschen Gerichts.
„Das ist ein wichtiger Erfolg und ein klarer Zwischenschritt auf unserem Weg“, erklärt Pierre-Enric Steiger, Präsident der Björn Steiger Stiftung. „Das Bundesverfassungsgericht hat unsere Beschwerde im Kern offengelassen. Die entscheidenden Fragen zur Zukunft und zur Vereinbarkeit des Rettungsdienstgesetzes mit den Grundrechten der Notfallpatienten liegen damit weiterhin auf dem Tisch des Bundesverfassungsgerichts.“
Mit der Verfassungsbeschwerde verfolgt die Björn Steiger Stiftung drei zentrale Ziele:
1. Grundrechtsschutz für Notfallpatientinnen und Notfallpatienten sichern
Das baden-württembergische Rettungsdienstgesetz verletzt nach Überzeugung der Beschwerdeführer Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG („Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“) sowie Art. 3 Abs. 1 GG („Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“).
Hintergrund ist die föderale Zersplitterung des Rettungsdienstwesens: In Deutschland existieren 16 verschiedene Landesgesetze mit unterschiedlichen Standards, Reaktionszeiten und Qualitätsvorgaben.
„Diese Unterschiede können für Patienten im Notfall lebensbedrohliche Folgen haben – je nach Bundesland kann der Rettungsdienst faktisch langsamer, schlechter ausgestattet oder unzureichend koordiniert sein“, betont Steiger.
2. Bundeseinheitliche Qualitäts- und Zeitvorgaben schaffen
Die Björn Steiger Stiftung strebt an, dass künftig bundesweit einheitliche Mindeststandards für Hilfsfristen, Einsatzqualität und Ausbildung gesetzlich garantiert werden.
Dies schließt auch die verpflichtende Nutzung moderner IT- und KI-gestützter Systeme ein – etwa zur intelligenten Einsatzsteuerung, der Einführung digitaler Leitstellennetzwerke und für eine schnelle, grenzüberschreitende Koordination zwischen Rettungsdiensten.
3. Zukunftsfeste, gerechte Rettungslandschaft
Ziel ist ein Rettungsdienst, der bundesweit in allen Regionen – ob ländlich oder städtisch – gleichwertig und zuverlässig funktioniert und allen Bürgerinnen und Bürgern denselben Schutz garantiert.
Das Bundesverfassungsgericht hat auch eine formale „Nichtannahme“ eines Teilbereichs – konkret der Beschwerde gegen ein mögliches Unterlassen des Bundesgesetzgebers – beschlossen. Dies könnte den Eindruck erwecken, dass das Anliegen inhaltlich zurückgewiesen wurde. Tatsächlich hat das Bundesverfassungsgericht unserer Position nicht widersprochen, dass dem Bund eine Qualitätssicherungspflicht zukommt, wenn er die Leistungen des Rettungsdienstes zahlt.
Konkret hat das Bundesverfassungsgericht einzelne Randaspekte der Beschwerde herausgelöst, um den Fokus klarer und effizienter auf den zentralen Streitpunkt zu legen – nämlich auf die Rolle der Länder und hier exemplarisch auf die verfassungsrechtliche Bewertung des Rettungsdienstgesetzes Baden-Württemberg. Mit dieser Verfahrensweise verschlankt das Gericht das Verfahren.
„Es war für uns wichtig, diese Entscheidung durch führende Staatsrechtler einordnen zu lassen“, erläutert Steiger. „Gerade durch diese rechtliche Analyse wird deutlich, dass die formale Teilzurückweisung keine qualitative Abwertung unseres Anliegens darstellt, sondern im Gegenteil eine Fokussierung auf das Herzstück unserer Beschwerde ermöglicht.“
Der Teil der Beschwerde, der sich gegen ein mögliches Unterlassen des Bundesgesetzgebers richtete, wurde zwar formal nicht angenommen. Inhaltlich ist dies jedoch kein Rückschlag, sondern eine wichtige juristische Klarstellung:
Das Gericht hat diese Frage damit begründet, dass die einschlägige Finanzregelung des Bundes im Sozialgesetzbuch V schon seit 1988 gilt und damit die Jahresfrist für Verfassungsbeschwerden gegen Gesetze abgelaufen sei. Ob dieser rechtliche Rahmen verfassungsgemäßen Anforderungen genügt, ist aus den genannten Fristgründen offengeblieben. Das Gericht führt weiter aus, dass der Bund keineswegs völlig untätig geblieben sei und dass bestehende Bundesregelungen, insbesondere im Sozialgesetzbuch V, bereits einen rechtlichen Rahmen bilden. Diese Argumentation lenkt die Debatte auf den eigentlichen Kern der Auseinandersetzung – die konkrete Ausgestaltung der Rettungsdienste in den Ländern und deren Vereinbarkeit mit den Grundrechten der Notfallpatienten.
„Das Gericht hat klar zum Ausdruck gebracht, dass der Bund bereits eine Rolle im Rettungswesen hat – und dass die Frage nach der künftigen Ausgestaltung und Qualitätssicherung offenbleibt“, betont Steiger. „Genau hier sehen wir eine Unterstützung unserer bisherigen Argumentation. Und hier setzen wir an. Unser Ziel bleibt eine zukunftsfeste, gerechte und bundesweit einheitliche Rettungsstruktur.“
Die Entscheidung bedeutet für die Björn Steiger Stiftung deutlichen Rückenwind in ihrem Kampf für die angestrebte bundesweit einheitliche Notfallrettung:
Stiftungs-Präsident Pierre Enric Steiger: „Wir stehen weiterhin an der Spitze dieser Debatte und werden weiter dafür kämpfen, dass sich Karlsruhe mit den zentralen Fragen der Notfallrettung befasst. Die Entscheidung gibt uns dafür starken juristischen Rückenwind.“
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